Justinus Kerner

Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit
Der Bauer Rapp


Es hatte sich damals in Württemberg und besonders zahlreich im Oberamte Maulbronn eine Sekte gebildet, deren Anhänger sich Separatisten nannten. Sie waren ihren Grundsätzen nach Spiritualisten, Opposition gegen alle Kirche, mehrere sogar Pantheisten. Ihre politische Schwärmerei war nur Nebensache. Ihr Anführer, namens Rapp, war aus dem Dorfe Iptingen, Oberamts Maulbronn, ein Mann noch von den besten Jahren, mit einem kräftigen Körper, hellem Verstand und festem, entschlossenem Charakter.

Obgleich mein Vater sich seinen Bestrebungen und der Verbreitung seiner Sekte als Beamter entgegenstellen mußte, suchte er doch alle Gewalt und Strenge, war sie ihm auch anempfohlen, gegen ihn und seine Brüder zu vermeiden.

Gegen ihre Grundsätze war es besonders, einen förmlichen Eid zu schwören, denn sie behaupteten, ein Manneswort müsse ohnedies heilig sein und dürfe nur in Ja und Nein bestehen, und deswegen wollten sie auch dem Herzoge keinen Huldigungseid leisten. Es sollte mit harten Strafen gegen sie eingeschritten werden; mein Vater aber machte zwischen ihnen und der Regierung den Vermittler, und um diese Zeit besuchte Rapp öfters unser Haus, und ich erinnere mich gar wohl noch seiner und seines langen schwarzen Bartes, mit dem der nachher so berühmt gewordene Bauer oftmals bei uns neben meinem Vater zu Tisch saß.

Es ist bekannt, daß er später nach dem Tode meines Vaters mit seinen Glaubensbrüdern nach Nordamerika zog und dort unter dem Namen »Harmonie« eine eigene Kolonie auf eine Mischung von theokratisch-patriarchalischen und kommunistischen Prinzipien gründete. Diese frühere Kolonie vertauschte er später mit einer andern, die er »Economie« benannte und wo er in sehr hohem Alter am 7. August 1847 starb. Es freut mich, daß mein Vater das Ungewöhnliche, das in diesen Menschen lag, auch in seinem ersten Keime nicht mißkannte.