Justinus Kerner

Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit
Der Dichter Conz


Nun kam die Zeit meiner Konfirmation. Conz hatte mir den Religionsunterricht erteilt. Er ließ uns in demselben neben mündlichem Unterricht auch religiöse Aufsätze ausarbeiten, aber es war ihm bei diesen um eine schöne Stilisierung mehr zu tun als um den religiösen Inhalt.

Ein Theologe war er nicht, ob er gleich in der Stadtkirche zu predigen hatte, bei welchem Predigen aber der Übelstand war, daß er sehr undeutlich sprach. Er war von sehr fetter Leibeskonstitution und tat die Pfeife nur ungern, um zu sprechen, aus dem Munde. Seine Hauptstärke war die Philologie, und seine Gedichte trugen neben großer Korrektheit doch oft sehr die Farben und Töne der verschiedensten Dichter des Altertums und der Neuzeit, die er emsig las und vielfach kritisierte, an sich. Es war ein kindlicher Mensch, voll Herzensgüte und Naivetät. Er lebte immer in seiner Gedankenwelt, so daß es ihm oft geschehen konnte, an den einen Fuß einen Stiefel, an den andern einen Schuh anzuziehen. Sein häufigster Umgang war der Freund Schillers, Herr von Hoven, der auch mit ihm die gleichen politischen Gesinnungen hegte.

Dieser erzählt von ihm in seiner Lebensgeschichte eine Anekdote, die ihn sehr charakterisiert: »Als Conz als Diakonus nach Ludwigsburg kam, hatte er nur ein einziges Kind, einen Knaben von fünf Jahren. Diesen Knaben zu einem vollkommen vorurteilslosen Menschen zu erziehen war sein Hauptaugenmerk, und seine größte Sorge war, daß ihm über keinen Gegenstand falsche Begriffe beigebracht werden sollten, und besonders sollte er nie von dem Teufel etwas hören. Ich sagte ihm, daß dies unmöglich sei, und was insbesondere den Teufel betreffe, so dürfe er den Knaben nie aus dem Hause lassen, weil es täglich geschehen könnte, daß er auf der Straße den einen zu dem andern sagen höre: Der Teufel solle ihn holen. Conz beharrte auf seinem Grundsatz, und als wir eines Tages wieder über dieses Thema sprachen, sprang der Knabe in das Zimmer und rief: ›Vater, ich habe den Teufel gesehen!‹ Was? wo?, rief ihm der Vater entgegen. ›In einem Buche‹, erwiderte der Knabe, ›aber der hat Hörner, größer als ein Bock, und einen Schwanz, länger als eine Kuh!‹ Der Vater war so erstaunt, als ob der Knabe den Teufel leibhaftig gesehen hätte; ich konnte das Lachen nicht halten und sagte: ›Da sehen Sie, Freund, was das Hüten und Bewahren hilft, jetzt hat Ihr Eduard den wahren Begriff von dem Teufel.‹«

Conz war nur in seiner literarischen Welt zu Hause, in der gemeinen war er ein Fremdling, und weil er glaubte, alle Menschen seien so gut und kindlich wie er, so verging selten ein Tag, wo er sich nicht in der guten Meinung von den Menschen betrogen sah. In religiöser Hinsicht schien damals Conz nur den Glauben seiner römischen und griechischen Klassiker zu haben und in ihm erst im späteren Leben das christliche Bewußtsein zu erwachen. Da sah man ihn, statt wie früher mit Ovids Verwandlungen oder dem Anakreon in der Hand, nur mit dem griechischen Neuen Testament in seinem Garten gehen.