Justinus Kerner

Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit
Die Zeit meiner Konfirmation


Auch in mir war der christliche Glaube leider nicht stark geworden, und die kurze Antwort auf die kurze einzige, auf mich zufällig gefallene Frage in der Kirche bei der feierlichen Konfirmationshandlung: »Welches Glaubens bist du?«, Antwort: »Ich bin ein Christ!«, strafte mich Lügen; denn ich war noch gar kein Christ. Dennoch war ich nicht ohne Glauben. Ich glaubte an keine Vernichtung nach dem Tode, sondern an eine pythagoreische Seelenwanderung, die sich mir auch auf die Tiere, da ich sie so sehr liebte, erstreckte. Meine Beobachtung der Verwandlung der Insekten und das Lesen der Schriften dieser alten Philosophen brachte mich darauf.

Die größte Angelegenheit aber war mir, daß ich zur Konfirmationshandlung einen Frack anziehen sollte. Ich hatte in meinem Leben bisher noch nie einen Frack getragen, und ich tat es auch jetzt durchaus nicht, obgleich meine Mutter, um mich zu zwingen, ihren Kriegsvogt, meinen Oheim, den Landschaftskonsulenten Kerner, zu Hülfe zog. Es fruchtete nichts, ich kam zu dem feierlichen Akte in einem Überrock, zum Erstaunen der Stadt Ludwigsburg, in die Kirche.

Zum Glücke war der orthodoxe Spezial Zilling gestorben; denn dieser hätte mich ohne Frack und schwarzes Mäntelchen nicht konfirmiert.

Nun kam bald zur Sprache, was aus mir zu machen sei. Meine Mutter hatte sich ihres kleiner gewordenen Vermögens wegen sehr einzuschränken, schon drei der Brüder hatten den Eltern durch höheres Studium große Kosten verursacht; da kam der Pfleger meiner Mutter (der Amtsschreiber Heuglin) in aller Liebe auf den sinnigen Einfall, man solle einen Konditor aus mir machen, dieses Geschäft sei sehr profitabel, und da ich zeichnen und malen und auch Reime machen könne, so würde ich mich bald in Verfertigung und Erfindung von Bonbons und Zuckerfigürchen auszeichnen, welche der Konditor Bechtlin, so gut er für mich als Lehrer wäre, wegen seiner theosophischen Grübeleien bisher sehr vernachlässigt habe.

Dies sprach er meiner guten Mutter so lange vor, bis sie auch in mich drang, ich solle in diesen Plan eingehen. Voll Jammer wandte ich mich an meinen väterlichen Freund Conz in einem Briefe nach Tübingen (er war inzwischen als Professor der Ästhetik dahin gekommen), und dieser schrieb: »Nein, Konditor sollen Sie mir nicht werden!« Ich bestand auch darauf, es nicht zu werden. Wäre ich auf den Plan eingegangen, so hätte ich wenigstens einen sehr originellen und nichts weniger als prosaischen Lehrherrn erhalten. Man hätte mich nämlich zu dem besagten Konditor Bechtlin in Ludwigsburg getan. Dieser Mann gehörte auch zu den Ludwigsburger Originalen damaliger Zeit. Er hatte sich eine eigene Theosophie geschaffen, sprach immer von dem Durchgange des Menschen durch die vier Elemente und seiner Vollendung durch seine Erweckung ins Licht, von dem Sitze Gottes in der Sonne und seiner Vermählung mit den Planeten, von den Sternen als den künftigen Sitzen der ins Licht erweckten Menschen, die ihnen von Jesus Christus vermöge seines Quartiermeisteramtes angewiesen worden seien. Vielleicht wäre ich hier früher zu einem theosophischen Glauben gekommen, aber es sollte noch nicht sein.

Ich hatte aber nichts dagegen, als man mir nun den Vorschlag machte, Kaufmann zu werden und mich auf das Comptoir der herzoglichen Tuchfabrik in Ludwigsburg, wo ich dann zugleich auch die Tuchfabrikation erlernen könnte, aufnehmen zu lassen.

Dies war nun ein großer Mißgriff; denn ich taugte zum Kaufmann so wenig als zum Mathematiker, und meine Neigung, lieber zu geben als zu nehmen, befähigte mich auch nicht zum Kaufmanne; aber ich schickte mich besonders deswegen darein, weil ich meiner Mutter keine großen Kosten mehr machen wollte.