Justinus Kerner

Das Nachspiel der ersten Schattenreihe oder König Eginhard
Ein chinesisches Schattenspiel


Sprechende Figuren sind: Ein Zwerg. Eine Nonne, Adelheid. Kaiser Otto, ihr Vater. König Eginhard. Dietwaldus, dessen Hofmeister. Ein Tisch. Zwei Sessel. Der Teufel. Eine Zigeunerin. Ein Nachtfräulein. Ein Schildknecht und Professor der Astronomie. Eine Mäusin. Eine Maus. Ein Pudel.

Actus primus

Ein Garten, neben ein Kloster.

Eine Nonne tritt auf und spricht:
Stolze Türme! hohe Säle!
Schön durchstrahlt von Frau'n und Rittern,
Weh! ihr dufterfüllten Gärten,
Lichtdurchscheint von Stern und Lilie!
Weh! ihr spiegelhellen Seen,
Stolz durchschifft von Silberschwänen!
Treue Frauen, tapfre Ritter,
Lassend für mich Blut und Frieden -
Weh! daß ich von euch geschieden!
Hinter Mauern, hinter Gittern
Welk ich hin, seh euch nicht wieder.
 
Die Nonne verwandelt sich in einen Zwerg.

Der Zwerg spricht:
Ei du schöne Adelheide!
Was soll dieses Winseln, Schreien?
Ritter zwei, ohn' Tadel beide,
Denken, wie sie dich befreien.
Aber erst muß ich die Mauern
Schieben etwas auf die Seite:
Denn hier müssen Tisch' und Stühle
Mit zwei Rittern sich placieren.
Etwas Neues aufzuführen
Wird allhier nun pokulieret,
Drum du Turm da! führ dein Kloster
Indes auf den Berg spazieren.
 
Der Turm geht mit dem Kloster auf den Berg.
 
Allons Tisch! reg deine viere!
 
Es kommt ein Tisch mit Kuhfüßen langsam aus dem Walde gelaufen.

Der Tisch spricht:
Weh! ich bin zu schwer beladen!

Der Zwerg spricht:
Träge Sessel! regt die Waden!
 
Es kommen zwei Sessel mit Bocksfüßen hinter dem Tische gelaufen. Der Zwerg zerteilt sich in drei Stücke. Eins bleibt der Zwerg, das andre wird König Eginhard, das dritte sein Hofmeister Dietwaldus.

Der Zwerg spricht:
Ha! schon warten Ihro Gnaden
Eginhard, der Böhmen König.

Der Tisch spricht:
Wir empfehlen uns untertänig,
Bringen Speisen in vollen Haufen.
 
Eginhardus und Dietwaldus wollen sich setzen.

Die Sessel sprechen:
Wehe! laß uns erst ausschnaufen!
 
Sie schnaufen ganz entsetzlich.

Der Zwerg spricht zum König:
Ei! ei! setzt Euch nur, man kehrt sich
Nicht an dies verstellte Schnaufen,
Sind zwei junge Kerl, leichtfertig,
Die nie wollen vorwärtslaufen -
Kommen nur da aus dem Wald raus -
Eginhardus und Dietwaldus,
Speist! das Essen, das sieht kalt aus.
 
Sie setzen sich, der Zwerg springt auf den Tisch und wird von ihnen als Becher gebraucht.

Eginhardus spricht:
Mein treuer Dietwalde! Es ist doch eine gewisse Sache, daß nicht die ausgesuchtesten Weine, die herrlichsten Speisen, ja die allerschönsten Schlösser und Gärten so viel Lust bringen als das Jagen im Walde, oder das Fangen der Vögel in der Luft, oder der Fische im Wasser; mich auch nichts mehr erfreut als ein Hirsch, ein Vogel oder ein Fisch. Und so ist auch hinführo mein fester Vorsatz, immer im Walde zu leben, von deswegen ich mit all meinen Feinden Friede zu machen gedenke.

Dietwaldus spricht:
Allergnädigster Herr König! Es ist Euch nicht zu bestreiten, daß der Hirsch eine rechte Lust ist und recht schön anzusehen, wenn er in grüner Wildnis ruht, oder der Vogel, wenn er durch die blaue Luft fleugt, oder der Fisch, wenn er im hellen Teiche schwimmt. Aber mehr Kurzweil und Lust mag einem Manne doch ein Jungfräulein verschaffen, und mein ich, daß über das Frauenzimmer nichts in der Welt gehe. Auch weiß ich eine dermaßen schöne Dame für Euch, dergleichen Jungfräulein nicht lebet, so weit sich die mittägigen Sonnenstrahlen erstrecken. Dieselbe steht Euch besser an und wird Euch mehr Kurzweil schaffen als der Hirsch im Walde, oder der Vogel in der Luft, oder der Fisch im Wasser. Es ist dies die schöne Adelheid, des Kaiser Ottos einzige und leibliche Tochter.

Der König spricht:
Dein Rat, mein lieber Dietwalde! gefällt mir nicht übel. Aber, lieber Dietwalde! die Adelheid ist eine Klosterjungfrau, und also ist es nicht ratsam, daß ich sie zu einem Gemahl von dem Kaiser begehre. Darum so rate anders, mein lieber Dietwalde! denn das kann wegen des geistlichen Ordens nicht sein, ob ich gleich weiß, daß sie das schönste Fräulein in der jetzigen Welt ist.

Dietwaldus spricht:
Gnädiger Herr König! Kloster hin, Kloster her, das muß ein mächtiger Herr nicht achten. Die Liebe, so sie inbrünstig ist, siehet kein Kloster an, und weil Ihr eine Liebe zu dem Fräulein habt, wäre meine Meinung, Ihr suchtet die Adelheid mit List an Euch zu bringen, ich will selbst der Mittler sein und ausdenken, wie ich sie aus dem Kloster bringe.

Der König spricht:
Mein treuer Dietwalde! ich kann nicht umhin, Euch zu bekennen, daß ich mit großer Inbrunst ihrer begehre.
 
Sie gehen beide wieder in den Becher oder in den Zwerg über.

Der Zwerg springt vom Tisch und spricht:
Allons Sessel! und du Tische,
Fort da! regt die Beine frische!

Die Sessel sprechen:
Gott sei Dank! Wir armen Jungen
Wurden fast zu tot gesessen.

Der Tisch spricht:
Auf denn! in den Wald gesprungen,
Wollen dort auch etwas fressen.
 
Sie springen wieder in den Wald. Währenddem kommt der Turm mit dem Kloster, das indessen mit ihm heimlich auf und ab lief, zurücke. Der Zwerg verwandelt sich in die Nonne.

Die Nonne spricht:
Stolze Türme! hohe Säle!
Schön durchstrahlt von Frau'n und Rittern!
Weh! ihr dufterfüllten Gärten,
Lichtdurchscheint von Stern und Lilie!
Weh! ihr spiegelhellen Seen,
Schön durchschifft von Silberschwänen!
Treue Frauen! tapfre Ritter!
Lassend für mich Blut und Frieden! -
Weh! daß ich von euch geschieden!
Hinter Mauern, hinter Gittern
Welk ich hin, seh euch nicht wieder!
 
Die Nonne verwandelt sich in den Teufel.

Der Teufel spricht:
Ha! Ha! Ha! Ha! Hu! Hu!
 
Er zerteilt sich plötzlich in mehrere Teufel, Geister und Hexen. Diese tanzen über dem Kloster und sprechen:
 
Daß kein krankes Herz gesunde
Durch Gebet in stiller Stunde,
Wenn es von der Welt geschieden -
Tauchen wir mit schwarzem Flügel
Auf- und abwärts ohne Ruhe.
Und je näher unser Reigen
Drückend sich der Erde neiget,
Wird es schwerer stets dem Frommen,
Betend sich zu Gott zu heben. -
Lassen keinen Seufzer aufwärts,
Keinen Trost darnieder schweben,
Und so kann nur zu ihm kommen
Fluch, Verzweiflung, so wir geben.
 
Sie kommen immer näher und näher der Erde, und wie sie ganz unten, gehen sie in dem Dietwaldus zusammen.

Dietwaldus spricht:
Brumm ich jetzt ein frommes Motto,
Hum! versteht sich nur zum Spott so,
Sag: Ich komm vom Kaiser Otto,
Bin gesandt schnell in der Nacht her,
Daß ich spreche seine Tochter,
Bring den Frauen Klosterschleier
Oder ein paar Ostereier,
Angefüllt mit Diamanten;
Und so führ ich sie abhanden.
 
Er verwandelt sich in den Teufel.

Der Teufel spricht:
Ha! ha! ha! ha! hu! hu!
 
Er zerteilt sich wieder in mehrere Teufel und Hexen. Sie fliegen mit wildem Geschrei in die Luft. Der Teufel verwandelt sich in den Mond, die Hexen in Sterne.

Der Teufel als Mond spricht:
Daß, wo naß ein Auge blicket
Flehend auf zu Sternenstrahlen,
Daß, wo wund sich Herzen grämen -
Höllenglut wir niederschicken
Da aus unsern Höllenstrahlen,
Haben wir den Mond, die Sterne
Schnell mit Wolken schwarz umzogen,
Sind lautjauchzend in die Ferne
Selbst als Sterne aufgeflogen.
 
Dietwaldus tritt aus dem Kloster, teilt sich in zwei Teile. Das eine bleibt er, das andre wird zur Nonne.

Dietwaldus spricht:
Hochadeliges Fräulein! Es ist ewig schade und großes Unrecht, daß Euch Euer Herr Vater, der Kaiser Otto, in dieses Kloster eingesperrt hat, allwo Ihr Eure junge Zeit einsam dahinleben sollt. Das Kloster ist für Eure Zärte viel zu streng, und Eure Kräfte sind viel zu schwach, ein so schwer und hartes Joch zu ertragen, und Ihr könnt den Himmel wohl auf eine andre und beßre Art erwerben. Darum so wisset, daß ich nicht von Eurem Herrn Vater aus Österreich, sondern von Prag hiehergeschickt bin, mit einem Schreiben meines Herrn, des König Eginhards,
 
überreicht den Brief
 
daß Ihr mir saget, ob Ihr den König zur Ehe haben wollet oder nicht.

Die Nonne öffnet den Brief, liest und spricht:
Lieber Hofmeister Dietwalde! Du hast mit deinem Herrn, dem König, und mit mir ein Gefährliches vor; wisse, daß ich eine Kaiserstochter und zumal eine Klosterjungfrau bin; wird das mein Vater, der Kaiser, inne, wird er alle Macht anwenden, mich und deinen Herrn, den König, zu strafen; ich traue mir nicht aus dem Kloster, bleibe aber auch, fürwahr! nicht länger mehr hier innen, sondern bin fest entschlossen zu sterben.

Dietwaldus spricht:
Daran würdet Ihr sehr unrecht tun, inmaßen Euer junges Leben noch zu großen Freuden der Welt aufbewahrt ist.

Die Nonne spricht:
Nun dann! so führt mich mit sicherem Geleite von dannen.
 
Sie geht in den Dietwaldum über. Derselbe verwandelt sich in den Zwerg. Der Mond fällt auf das Klosterdach und setzt sich als Teufel über dasselbe her; die Sterne flattern als Hexen um ihn.

Der Teufel spricht:
Spring du finstrer Rapp geschwinde!
Hu! hu! fu! fu! durch die Winde,
Durch die Wasser, durch die Flammen,
Mein gehört ihr all zusammen!
 
Er spornt das Kloster und reutet mit ihm davon; die Hexen flattern um ihn her.

Der Zwerg spricht:
Gottlob oder Lob dem Teufel,
Endlich ist hier Platz gemachet,
Ohne Harke, ohne Schaufel
Ist das Kloster weggeschaffet,
Und ich denk, wir können immer
Hier ein Zimmer hübsch placieren -
Zimmer! Laß dich anprobieren!
 
Es kommt ein Zimmer mit einem Spiegel herbeigelaufen. Der Zwerg wird schnell zum Kaiser Otto.

Der Kaiser spricht:
Gut! du hast die rechte Größe
Für den alten Kaiser Otto.
 
Der Kaiser Otto wird schnell wieder zum Zwerg.

Der Zwerg spricht:
Und der Spiegel steht nicht böse.
Seht darin in bunten Reihen
Schöne Frauen, tapfre Ritter
Um die reichgeschmückte Tafel:
Denn hier hält der Böhmen König
Eginhardus seine Hochzeit
Mit der schönen Adelheide -
Sitzen an der Tafel beide
Zu des Volks und Adels Freude
Von zu starker Liebe tot schier,
Indes arge Klag' und Not hier.
 
Der Zwerg verwandelt sich in den alten Kaiser Otto; die Figuren im Spiegel verbergen sich alle unter die Tafel. Eginhard streckt den Kopf hervor und horcht.

Der alte Kaiser spricht:
O Tochter Adelheid! wie hab ich dieses um dich verschuldet! In meinem hohen Alter betrübst du mich mit einer solchen Tat? Gut, ich will mich aufmachen und Eginhard auf den Grund ausrotten,
 
Eginhard steckt bei diesen Worten auch voll den Kopf unter die Tafel
 
und will ihn zu einem Schemel gebrauchen, wenn ich auf das Pferd steige, und alle die will ich mit Feuer und Schwert verderben, die zu solchem unseligen Beginnen ihm den Rat gegeben.
 
Der alte Kaiser verwandelt sich in einen Pudel, der knurrend im Zimmer umherläuft und sich dann unter den Ofen legt. Wie alles ruhig, kreucht Eginhard im Spiegel wieder unter der Tafel hervor und nach ihm all die andern Figuren.

Eginhardus im Spiegel spricht:
Wehe! wehe! des großen Unheils, das du, o treuloser Dietwalde! durch deine teuflische Räte stiftetest.
 
Dietwaldus durchbohrt sich mit dem Schwert.

Im Augenblick erscheint der Teufel und spricht:
Hu! ha! hie ho hu u!
 
Fährt mit Dietwaldus von dannen.

Eginhardus spricht:
Gut! nun hast du deinen verdienten Lohn! Ihr aber, meine Getreuen! laßt uns in aller Eil' in den Böhmerwald fliehen und dort in der tiefsten Wildnis ein Schloß bewohnen, wo wir unbekannt und vor den Nachstellungen unserer Feinde in Frieden leben können.
 
Die Figuren gehen ab. Man sieht im Spiegel ein großes Kriegsheer vorüberziehen, an dessen Spitze der alte Kaiser Otto steht. Ein Vorhang fällt vor den Spiegel. Der Pudel, der bisher unter dem Ofen lag, tritt hervor und spricht:
 
Mit höchster Erlaubnus habe ich die Ehre, ein gebildetes Publikum durch ein Deklamatorium zu amüsieren.
 
Er bellt, bis der Vorhang fällt.

Actus secundus

Man sieht das Zimmer mit dem Spiegel.

Der Zwerg tritt auf und spricht:
Tief im Böhmerwalde lieget
Ein verborgnes Schloß, heißt Schildeis,
Dahin hat sich Eginhardus,
Weil ihm sehr vor Lanz' und Schild heiß,
Mit der Adelheid verfüget.
Kaiser Otto ringsum sieget,
Städt' und Dörfer nieder wild reißt,
Doch nun ist's ihm worden selbst heiß!
Denn vom Heer ist er verirrt sehr,
Hat nur einen einz'gen Knappen,
Trifft kein Dorf und keinen Wirt mehr,
Muß in Nacht und Nebel tappen,
Bahn sich hauen mit dem Sabel
Durch die schreckenvolle Wildnis -
 
Zeigt auf den Spiegel.
 
Doch hier seht ihr selbst sein Bildnis,
Ausgemergelt, miserabel.
 
Der Zwerg legt sich als Pudel unter den Ofen. Man sieht in dem Spiegel eine wilde Waldgegend, in ihr den Kaiser Otto und einen Schildknappen.

Der Schildknecht im Spiegel spricht:
Gnädiger Herr Kaiser! wir kommen immer mehr und mehr von allen Pfaden ab. Es ist mir auch diese Gegend und der Böhmerwald ganz unbekannt; denn ich bin mein Lebelang noch nicht darin gewesen.

Der Kaiser zieht eine Landkarte aus der Tasche und spricht:
Ich kann auf dieser Landkarte durchaus nicht sehen, wo wir eigentlich sind, inmaßen ich weder dich noch mich darauf verzeichnet finde.

Der Schildknecht spricht:
Gnädiger Herr Kaiser! ganz betrübt ist mein Geist und Mut. Ich habe mit dem Ritter Pino drei Abenteuer bestritten, aber so große Angst habe ich nie in dem Herzen empfunden.
 
Es kommen drei Wölfe aus dem Walde gelaufen und sperren die Rachen bis an den Schwanz auf.

Der Kaiser spricht:
Wehe! wehe! wehrt Euch gegen diese Bestien!
 
Der Kaiser geht in den Schildknecht über. Der Schildknecht schwingt sich auf einen Baum. Die Wölfe gehen vorüber.

Der Schildknecht spricht:
Gott sei Dank! die Wölfe sind waldeinwärts gelaufen und hielten mich für einen Tannzapfen.
 
Bei diesen Worten kommt der Kaiser wieder aus dem Schildknecht auf dem Baume heraus und hält sich an einem Ast. Der Schildknecht springt vom Baume.

Der Kaiser spricht:
Wehe! verruchter Mensch! was habt ihr angestellt? Nun bin ich auf diese verzweifelte Höhe ausgesetzt: denn meine zitternden Hände und Füße vermögen mich nicht herniederzubringen.

Der Schildknecht fällt auf die Kniee und spricht:
Allergnädigster Herr und Kaiser! O begnadiget einen Unglücklichen! Ich bemerkte nicht, daß Ihr schon auf dem Baume aus mir hervorginget.
 
Der Schildknecht steigt wieder auf den Baum, der Kaiser geht in ihn über. Der Schildknecht springt herab, und wie er auf dem Boden ist, geht der Kaiser wieder aus ihm hervor.

Der Kaiser spricht:
Gott sei Dank! ich sehe keine Wölfe mehr!

Der Schildknecht spricht:
Gnädigster Herr und Kaiser! Eins habe ich aber auf dem Baume vergessen. Ich bitte Euch, mir wieder auf den Baum zu helfen, ob ich nicht auf dem Gipfel irgendeinen Menschen erblicken möge.

Der Kaiser hilft ihm auf den Baum und spricht:
Der Baum schwankt hin und her, wehe! Ihr werdet auf mich herabstürzen.

Der Schildknecht spricht:
Gnädigster Kaiser und Herr! Freut Euch! denn nicht fern im Walde erblicke ich ein Licht, dem lasset uns nachlaufen.

Der Kaiser spricht:
Mein allerfreundlichster Schildknecht! Ihr seid von nun an wegen dieser erfreulichen Botschaft zum Professor der Astronomie ernannt.
 
Der Schildknecht fällt vor Freuden vom Baume.

Der Kaiser spricht:
Mein Professor! erhebet Euch schnell und lasset uns weitergehen.
 
Er geht in den Professor über. Der Professor verwandelt sich in eine Zigeunerin.

Die Zigeunerin spricht:
Fern in stillem Waldesdunkel
Lausch ich wunderbarem Klingen,
So aus tiefem Schoß der Erde
Tonreich aus Kristallen dringet.
Lausch, was Vogel in den Lüften,
Quelle in der Tiefe singet,
Daß ich recht es möge deuten
Und in Menschenrede bringen
Dies Geheimnis künft'ger Zeiten.
 
Die Zigeunerin verwandelt sich in ein Nachtfräulein.

Das Nachtfräulein spricht:
Wie die Stern' am blauen Himmel
Also wir hier unten leben,
Dürfen uns nur keck erheben,
Wann die stille Nacht erschienen.
Dann in lichten Tänzen schweben
Oben sie durch blaue Wolken,
Unten wir durch Wälder grüne.
 
Das Nachtfräulein zerteilt sich in acht andere Nachtfräulein. Dieselben beginnen einen Tanz, bis sie mit der ganzen Gegend kleiner und kleiner werden und endlich mit ihr verschwinden.

Der Pudel kommt hinter dem Ofen hervor, wird zum Zwerg und spricht:
Schnell, o Zimmer! dich verwandelt
In die Wohnung Eginhardi.
 
Der Zwerg zerteilt sich in mehrere Stücke. Eins bleibt der Zwerg, die andern werden ein Maler, ein Schreiner, ein Bodenputzer, ein Schlosser. Diese setzen sich in aller Eil' im Zimmer in volle Tätigkeit.
 
Kaiserlich werd' es geschmücket:
Denn das Licht, so sie erblicket,
Leuchtet in dem Schlosse Schildeis.
Maler! malt die Wände milchweiß!
Schreiner! schlaget zwei Bettladen
Auf für Otto Ihro Gnaden.
Regt euch, Schreiner! Bodenputzer!
Aber alles schnell und kurz sehr;
Denn schon ist er ohne Spaßen
Unbekannt ins Tor gelassen,
Kennt auch Eginhardum nimmer -
Weh! da ist er schon im Zimmer.
 
Der Kaiser und der Professor treten ein. Die Handwerksleute gehen in den Zwerg über, der Zwerg legt sich als Pudel unter den Ofen. Der Kaiser legt sich, zwei Kronen auf dem Haupte und einen Szepter in der Hand, in ein Bett, der Professor der Astronomie in das andere.

Der Professor spricht:
Geltet, gnädiger Herr! im Bett ist's besser als im wilden Wald?

Der Kaiser spricht:
Du Narr! das kannst du dir leicht einbilden. Wie war dir dann auf dem Baume zumute, als dich der Wind wie ein Raupennest hin und her wehte?

Der Professor spricht:
Gnädiger Herr! ich war zwischen lauter Bäumen, hätt' mich der Wind von einem geworfen, so hätt' ich mich wieder am andern gehalten, und wäre ich dann so, ohne mich müd zu laufen, aus dem Walde gekommen. Dies wäre dann so eine Art Degenscher Flugmaschine gewesen, besonders da ich einen Degen angehabt, ha! ha! ha!

Der Kaiser spricht:
Mein Professor! wie gefielen Euch denn die heulenden Wölfe?

Der Professor spricht:
Ich muß Euch sagen, sie schienen mir sehr ungebildet, und ich bereue nun, daß wir sie nur so laufen ließen und nicht lebendig fingen, um sie durch Abnahme ihrer überflüssigen Hinterfüße für ein gebildetes Publikum genießbar zu machen. Natürlich hätte man auch eine Auswahl unter ihnen treffen müssen; denn die mehrsten von ihnen sind doch ganz ohne Sinn und Verstand, Arabesken und Produkte eines verfinsterten Mittelalters.

Der Kaiser spricht:
Es möge dem sein, wie ihm wolle, so laßt uns hiervon ein andermal reden. Genug, daß sie uns nicht gefressen, und sind wir ihnen dafür immer großen Dank schuldig. Aber hier, mein geliebtester Professor, ruht es sich ganz vortrefflich.

Der Professor spricht:
Wie auf Morgen- und Rosenblättern.
 
Sie fangen beide an, entsetzlich zu schnarchen. Zwei Mäuse springen unter der Bettdecke hervor.

Die Maus spricht:
Lange schon spitzt' ich die Ohren,
Aber jetzt vernahm ich's deutlich.
Die Gefahr ist unvermeidlich,
Und ich denk, wir sind verloren.

Die Mäusin spricht:
Weh! o weh! der leid'gen Decke
Wollt' nicht warme Liebe bergen!
Männlein schnell! in jener Ecke
Kann kein Lauscher uns bemerken.
 
Sie springen unter den Ofen, der Pudel stürzt hervor, zerreißt sie und legt sich brummend nieder. Es erscheint im Spiegel auch ein Zimmer mit zwei Betten. In einem liegt Eginhard, im andern seine Gemahlin Adelheid.

Die Adelheid spricht:
Mein herzallerliebster Gemahl! sagt mir doch, ob es mir nur so im Traume vorkam, als sprächet Ihr vorhin mit zwei Edelleuten im Zimmer? Auch sehe ich hier ein fremdes, gar prächtiges Schwert an der Wand hängen, das ich näher betrachten muß, zumal mir sein Glanz so die Augen verblendet, daß ich sie nimmer schließen kann.
 
Sie steigt aus dem Bette und betrachtet das Schwert.
 
Himmel! Hülf! ich bin des Todes!
 
Fällt um.

Eginhard springt heraus und spricht:
O Ihr vorwitziges Weib! Ihr habt Euch gewiß mit dem Schwerte verletzt. Warum ließet Ihr es nicht an seiner Stelle?

Die Adelheid spricht:
Himmel! liebster Ehgemahl! warum sollt' ich nicht umfallen? Dieses Schwert ist das Schwert meines Herrn Vaters, des Kaisers, und diesen Gurt habe ich mit eigner Hand gewoben.

Der König Eginhard spricht:
Hilf, Himmel! er ist gekommen, uns zu ermorden.

Die Adelheid spricht:
Stille! ich höre in der Kammer der Fremden sprechen, laßt mich gehen, sie zu belauschen, um aus ihren Gesprächen ihre Gesinnungen kennenzulernen.
 
Der Spiegel verwandelt sich in ein Fenster, die Adelheid steht dahinter und lauscht.

Der alte Kaiser Otto im Zimmer spricht:
Mein liebster Professor! warum färbt denn einem die Nacht nicht Gesicht und Hände schwarz, da man sie doch so unbedeckt aus der Bettdecke streckt?

Der Professor spricht:
Allergnädigster Herr Kaiser! ist dies eine Preisfrage?

Der Kaiser spricht:
Ich versteh Euch nicht; aber - von was ist denn der Mond?

Der Professor spricht:
Von Hornsilber.

Der Kaiser spricht:
Das ist erstaunlich!

Der Professor spricht:
Jawohl!

Der Kaiser spricht:
Aber von allem möcht ich doch jetzt wissen, wohin der König geflohen, er hat mich in den Harnisch gebracht, mich sollen seine Unfälle wieder herausbringen.

Der Professor spricht:
Gnädiger Herr! was wollt Ihr ihn ferner verfolgen? Ist's nicht genug, daß Ihr ihm sein schönes Land so schrecklich zugerichtet habt?

Der Kaiser spricht:
Du hast recht, was er an mir gesündigt, das kann ich ihm auch wieder vergeben, aber, denke, meine Tochter aus einem Kloster zu nehmen, ist das nicht ein großes Vergehen?

Der Professor spricht:
Pas! pas! pas! dafür seid Ihr ihm noch großen Dank schuldig, und ich bin recht begierig, diesen gebildeten jungen Mann kennenzulernen: denn Ihr müßt wissen, daß die Klöster bloß Produkte eines barbarischen Mittelalters, einer höchst miserabeln, verfinsterten Zeit sind.

Der Kaiser spricht:
Mein lieber Professor! Klosterleben ist freilich nicht für alle Leut' erdacht, und mich dünkt selbst, ich habe Unrecht an meiner Tochter getan,
 
die Königin springt bei diesen Worten hinter dem Fenster in die Höhe,
 
daß ich sie so jung dem strengen Orden übergeben.
 
Es kommt der König, Ritter, Damen und Knappen, hinter dem Fenster zu lauschen.
 
Aber lasset uns nicht so laut reden, sonst dürften wir uns leichtlich offenbaren; dermalen will ich mit meinem Volke wieder zurückgehen und mich über die Sache besinnen.
 
Es entsteht vor dem Fenster ein großes Freudengeschrei.

Der Professor spricht:
Herr! wir sind verraten!
 
Er versteckt sich unter die Decke.

Der Kaiser spricht:
Kommt hervor, daß ich in Euch übergehe!

Der Professor spricht:
Gehorsamster Diener!
 
Der Kaiser springt mit Kron' und Szepter aus dem Bette und treibt ihn heraus. Sie ringen lange miteinander, wer in den andern übergehen soll; endlich gewinnt der Professor die Oberhand und geht schnell in den Kaiser über.

Der Kaiser spricht:
O du verfluchter Schildknecht! Ist das der Dank, daß ich dich zum Professor der Astronomie ernannte?
 
Der Professor lacht in dem Kaiser. - König Eginhard, Adelheid und ein Zug von Rittern, Damen und Knappen treten ins Zimmer. Eginhard trägt ein paar Fesseln.

Der Kaiser spricht:
Was soll dieser Aufzug? Was ist Euer Begehren?

König Eginhard fällt auf die Kniee und spricht:
O großmächtigster der Kaiser!
Lasset Euch nur offen sagen,
Wie ich bin der unglückselige
Eginhardus, jener schmälige
Den Ihr von der Kron' gejaget,
Auch wie dieses Eure Tochter,
Die den Vater schon betaget
Freventlich aufs Haupt geschlagen,
Weil sie flohe aus dem Kloster.
Fallen reuevoll zu Füßen,
Bringen flehend diese Fesseln,
Nicht Euch, Herr! damit zu schließen,
Sondern daß Ihr uns wollt binden,
Foltern, geißeln mit Brennesseln,
Stäupen, kneipen auch mit Zangen,
Oder was Ihr wollt anfangen,
Ob der schreckenvollen Sünden,
So wir, Herr! an Euch begangen.

Der Kaiser spricht:
Liebes Freundlein! werter König!
Hast mein Herz bewegt nicht wenig,
Und gerührt voll Scham bekenn ich,
Daß ich glaubt', du kamst zu fahn mich.
Hast viel Böses zwar getan mir,
Muß auch offen dies gestahn dir,
Aber hier in dieser Kammer
Schenk ich dir die Krone wieder,
So getragen Teut, dein Stammherr.
 
Tut eine Krone vom Haupte und setzt sie ihm auf.

Eginhard spricht:
Ach! Ihr seid ja wie ein Lamm, Herr!

Adelheid spricht:
Endet allen unsern Jammer!

Der Kaiser spricht:
Friede sei mit euch, kommt all her!
Und geht es auch noch so schmal her,
Auszuschnarchen allen Haß nun,
Laßt vereint uns hier zum Spaß ruhn.
 
Der Kaiser steigt mit Kron' und Szepter in das Bette, ihm folgt König Eginhard, dann Adelheid, dann eine Menge Ritter, Damen und Knappen. Man erblickt bei vierzig Köpfe unter einer Decke.
Die Köpfe verwandeln sich abwechselnd bald in eine Menge Tierköpfe: Katzenköpfe, Hundsköpfe, Mausköpfe, bald in die Köpfe verschiedener bekannter, einander entgegengesetzter Dichter und Philosophen.

Nachdem sie eine Zeitlang entsetzlich geschnarcht, tritt der Pudel unter dem Ofen hervor und spricht:
Mit allerhöchster Erlaubnus habe ich die Ehre, ein gebildetes Publikum durch meine Stellungen zu amüsieren.
 
Er streckt die Zunge gegen die Logen heraus und wedelt mit dem Schwanze gegen das Parterre.